Platform Work Directive – Neue EU-Richtlinie zur Plattformarbeit

7. Mai 2024 Paul Harloff

Nachdem das EU-Parlament die Richtlinie am 23.04.2024 verabschiedet hat, haben die Mitgliedsstaaten jetzt zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Neben erheblichen Neuerungen im Arbeitsrecht sind auch umfangreiche Regelungen zum Schutz personenbezogener Daten vorgesehen. Bei Verstößen gegen diese Vorgaben drohen die empfindlichen Bußgelder der DSGVO.

Die Richtlinie zielt darauf ab, die Arbeitsbedingungen und den Schutz personenbezogener Daten bei der sog. Plattformarbeit zu verbessern. Plattformarbeit wird dabei definiert als jegliche Arbeit, die über eine digitale Arbeitsplattform organisiert und innerhalb der EU ausgeführt wird. Um festzustellen, wann demnach eine Plattformarbeit vorliegt und daher die gesetzlichen Vorgaben zu beachten sind, ist der Begriff der digitalen Arbeitsplattform entscheidend.

I. Digitale Arbeitsplattform

Um eine digitale Arbeitsplattform handelt es sich, wenn vier Voraussetzungen erfüllt sind. Eine digitale Arbeitsplattform ist (a) die digitale (b) Organisation einer entgeltlichen Arbeitsleistung (c) auf Anfrage eines Kunden (d) unter Einbindung automatisierter Überwachungs- oder Entscheidungssysteme.

Wie der Name schon vermuten lässt, muss eine digitale Arbeitsplattform zumindest zum Teil digital, das heißt im Wege elektronischer Übermittlung, etwa über eine Webseite oder App angeboten werden (a). Über diese Plattform müssen von Beschäftigten gegen Bezahlung erbrachte Arbeitsleistungen organisiert werden. Darunter zu verstehen ist eine Art der Vermittlungstätigkeit. Dass eine Leistung für Kunde A durch Beschäftigten B ausgeführt wird, erfolgt aufgrund einer plattformseitigen, automatisierten oder teil-automatisierten Entscheidung (b). Die tatsächliche Arbeitsleistung des Beschäftigten muss auf Anfrage eines Kunden über die Plattform erfolgen. Damit müssen mindestens drei Parteien beteiligt sein: (i) der Beschäftigte, (ii) der Kunde, (iii) die digitale Arbeitsplattform bzw. der Betreiber dieser (c). Eingebunden sein müssen zudem automatisierte Überwachungs- oder Entscheidungssysteme. Solche liegen vor, wenn automatisiert z.B. Aufgaben zugewiesen, Preise festgesetzt, Arbeitspläne erstellt, Anweisungen erteilt oder Anreize gewährt bzw. Sanktionen verhängt werden oder die geleistete Arbeit bewertet wird. In Anbetracht der fortschreitenden Automatisierung in der digitalen Plattformökonomie dürften solche Systeme nahezu immer in Plattformen eingebunden sein (d).

Diese Voraussetzungen liegen eindeutig bei den Geschäftsmodellen von Lieferando, Uber Eats, Flink und Co. vor, bei denen auf individuellen Kundenwunsch Essen, Lebensmittel oder vergleichbare Produkte ausgeliefert werden. Erfasst sein dürften auch Tätigkeiten im Bereich der Mobilität, wenn z.B. eine Personenbeförderung mittels Uber, Free Now oder über eine andere App erfolgt. Ebenfalls erfasst sind Crowdsourcing-Plattformen, bei denen Aufgaben von Unternehmen im Wege des Outsourcings nicht an ein bestimmtes anderes Unternehmen, sondern über eine Plattform an eine unbestimmte Anzahl von Personen vergeben werden. Betroffen sein wird auch die Freelancer-Community, man denke etwa an über Plattformen vermittelte Software-Entwickler oder Designer.

Der europäische Gesetzgeber stellt selbst fest, dass digitale Arbeitsplattformen und Plattformarbeit in einer Vielzahl unterschiedlicher Bereiche und in Form unterschiedlichster Tätigkeiten auftreten können. Letztendlich werden also einzelfallbezogen die gesetzlichen Voraussetzungen zu prüfen sein, um festzustellen, ob es sich um eine digitale Arbeitsplattform und Plattformarbeit handelt.

II. Gesetzliche Vorgaben für digitale Arbeitsplattformen

Die Betreiber digitaler Arbeitsplattformen haben bei der Verarbeitung personenbezogener Daten in Zukunft zahlreiche neue Vorgaben zu beachten.

1. Begrenzung der Verarbeitung im Rahmen automatisierter Verfahren

Die Betreiber müssen sicherstellen, dass in bestimmten Bereichen bzw. bei bestimmten Tätigkeiten keine Systeme zur automatisierten Überwachung bzw. automatisierten Entscheidung eingesetzt werden. So sollen keine über die Plattform geführten privaten Konversationen zwischen Beschäftigten verarbeitet werden. Ebenfalls dürfen keine biometrischen oder sonstigen besonderen Kategorien personenbezogener Daten, die Rückschlüsse etwa auf die Herkunft, politische Meinung, religiöse Überzeugung oder den Gesundheitszustand zulassen, verarbeitet werden. Zudem sollen keine personenbezogenen Daten gesammelt werden, wenn der Beschäftigte gerade keine Arbeit durchführt oder anbietet. Das Verbot automatisierter Entscheidungen ist dabei nicht neu. So sieht bereits Art. 22 DSGVO das Recht betroffener Personen vor, nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden.

2. Informationspflichten

Für die Betreiber digitaler Arbeitsplattformen erweitern sich die Informationspflichten in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten. Bisher ist nach Art. 13 Abs. 2 lit. f DSGVO nur über das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung zu informieren. Zukünftig soll bei digitalen Arbeitsplattformen über alle Arten von Entscheidungen informiert werden, die von Systemen zur automatisierten Entscheidung getroffen oder auch nur unterstützt werden, auch wenn es sich um Entscheidungen handelt, die die Beschäftigten nicht in erheblichem Umfang betreffen. Bei Systemen zur automatisierten Überwachung muss darüber informiert werden, ob solche Systeme im Einsatz sind oder der Einsatz solcher Systeme geplant ist und in welcher Weise eine Überwachung erfolgt.

3. Regelmäßige Evaluierungspflicht und menschliche Kontrolle

Zukünftig müssen zudem regelmäßig und mindestens alle zwei Jahre die Auswirkungen des Einsatzes von Systemen zur automatisierten Überwachung bzw. automatisierten Entscheidung kontrolliert und bewertet werden. Bestimmte Entscheidungen dürfen ausdrücklich nur durch Menschen getroffen werden. Entscheidungen, die die Einschränkung, Aussetzung oder Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses betreffen, dürfen nicht durch eine automatisierte Entscheidung erfolgen. Bezüglich der sie betreffenden automatisierten bzw. teil-automatisierten Entscheidungen haben die betroffenen Beschäftigten das Recht, in mündlicher oder schriftlicher Form eine Begründung der Entscheidung durch die digitale Arbeitsplattform zu erhalten. Dazu müssen die Plattformen Ansprechpartner benennen, an die sich die Beschäftigten wenden können.

4. Auskunftspflicht und Schadensersatz

Zuletzt haben betroffene Beschäftigte gem. Art. 11 das Recht, sie betreffende automatisierte bzw. teil-automatisierte Entscheidungen überprüfen zu lassen. Die Plattformen müssen spätestens zwei Wochen nach Eingang eines solchen Antrags eine detaillierte und hinreichend begründete Auskunft zur Überprüfung liefern. Verletzt eine Entscheidung die Rechte des Beschäftigten, so muss die Entscheidung spätestens zwei Wochen nach Erlass der Entscheidung korrigiert werden. Ist eine Korrektur nicht möglich, so muss angemessener Schadensersatz angeboten werden. Das Auskunftsrecht muss dabei nicht durch den Beschäftigten, sondern kann ausdrücklich auch durch Gewerkschaften oder sonstige Arbeitnehmervereinigungen ausgeübt werden.

Aufgrund der in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten bereits überproportional häufig vorkommenden Auskunftsansprüche ist zu vermuten, dass zukünftig eine weitere Anspruchsgrundlage datenschutzrechtlicher Natur mit Relevanz für arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen hinzukommen wird.

III. Fazit

Obwohl bis zur Umsetzung in nationales Recht noch zwei Jahre bleiben und die Mitgliedsstaaten einen gewissen Spielraum bei der Umsetzung haben, sind die umfassenden gesetzlichen Vorgaben bereits absehbar und eine frühzeitige Auseinandersetzung damit ist sinnvoll. Insbesondere die weitere datenschutzrechtliche Auskunftspflicht und eine neue Anspruchsgrundlage für Schadensersatz versprechen dabei spannend zu werden und erfordern das Aufsetzen entsprechender Prozesse.